Da der zweite Teil der Predigt 52 von Meister Eckhart hat einige Zeit auf sich warten lassen, stelle ich hier zuerst den Link auf den 1. Teil.
Das ist ein armer Mensch, der nichts will und nichts weiß und nichts hat.
Zum Zweiten ist
der ein armer Mensch, der nichts weiß. Wir haben
manchmal gesagt, der Mensch sollte so leben als ob er nicht lebte, weder für sich
selbst noch für die Wahrheit noch für Gott. Aber jetzt sagen wir es anders und wollen
ferner sagen, dass der Mensch, der
diese Armut haben soll, alles haben soll, was er war, als er nicht lebte, in keiner Weise
lebte, weder für sich noch für die Wahrheit, noch für Gott; er soll vielmehr alles Wissens so quitt
und ledig sein, dass selbst nicht Erkennen Gottes in ihm lebendig ist [dass er nicht erkenne, dass Gott in ihm ist].; denn als
der Mensch in der ewigen Art Gottes stand, da lebte in ihm nichts Anderes: Was
da lebte, das war er selbst. Daher sagen wir, dass der Mensch so seines eigenen
Wissens entledigt sein soll, wie er war, als er nicht war, und Gott wirken
lasse, was er wolle, und frei dastehe, als wie er von Gott kam.
Nun ist die Frage,
wovon allermeist die Seelheit [Seligkeit] abhänge? Etliche Meister
haben gesagt, es komme auf das Begehren [Lieben] an. Andere sagen, es komme auf
Erkenntnis und Begehren an. Aber wir
sagen, sie hänge nicht von der Erkenntnis noch von dem Begehren ab, sondern es
ist ein Etwas in der Seele, aus dem fließt Erkenntnis und Begehren, das erkennt
selbst nicht und begehrt nicht so wie die Kräfte der Seele. Wer dies
erkennt, der erkennt, wovon die Seelheit abhänge. Dies Etwas kennt weder ein Davor noch ein Danach, und es wartet nicht auf etwas Hinzukommendes, denn es kann weder gewinnen noch verlieren. Darum ist
ihm jegliche Möglichkeit ganz und gar benommen, in sich zu wirken, es ist vielmehr
immer dasselbe Selbe, das sich selbst in der Weise Gottes verzehrt [genießt]. So, meine
ich, soll der Mensch quitt und ledig dastehen, dass er nicht weiß noch erkennt,
was Gott in ihm wirkt, und da kann der Mensch Armut sein Eigen nennen. Die
Meister sagen, Gott sei Wesen, und zwar ein vernünftiges Wesen, und erkenne
alle Dinge. Aber ich sage: Gott ist weder Wesen noch Vernunft, noch erkennt er
etwas, nicht dies und nicht das. Darum ist Gott aller Dinge entledigt, und darum ist er alle Dinge. Wer nun des
Geistes arm sein will, der muss an seinem eigenen Wissen arm sein, wie einer, der nichts weiß weder Gott noch Kreatur, noch sich
selbst.
Deshalb solle der Mensch nicht begehren, den Weg Gottes zu wissen oder
zu erkennen.
In diesem Sinne kann der Mensch
arm sein an seinem eigenen Wissen.
Meister Eckhart
Quelle: Meister Eckarts Mystische Schriften, hrsg. von Gustav Landauer, 1903
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf
http://www.marschler.at/eckhart-landauer/meister-eckhart-mystische-schriften.pdf
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